Zukunft der Werbung

Wie sich Publisher-Gigant Axel Springer auf den Wandel der digitalen Welt vorbereitet



Ob es nun die aktuelle Corona-Lage, die politische Lage in Berlin, Brüssel, Washington oder auch die Schwangerschaft von Helene Fischer. Wenn die Menschen auf der Suche nach verlässlichen News und Einschätzungen zum Weltgeschehen sind, wenden sie sich noch immer an die großen vertrauensvollen journalistischen Portale im Web. Einer der wichtigsten Verlage im weltweiten Nachrichtengeschäft ist Axel Springer mit seinen großen News-Marken wie Die Welt, Bild oder auch Business Insider und Politico.  

 Allein in Deutschland erreichen die Berliner laut AGOF rund 57,7 Millionen Menschen pro Monat. Lediglich eine Minderheit von ihnen schloss bislang ein digitales Abo ab und finanziert so regelmäßig die Leistung und Arbeit der vielen hundert Journalisten, die für Axel Springer immer auf der Suche nach den besten Informationen, Hintergründen und Scoops sind. Auch deshalb gehört Werbung noch immer zu den wichtigsten Einnahmequellen von Welt, Bild & Co.  

„Den Lesern sollte klar sein, dass Journalismus Geld kostet”, erklärt deshalb auch Christopher Reher, Director Data Strategy & Products bei Media Impact. Für die Vermarktungstochter des Medienkonzerns ist es genau sein Job, dafür zu sorgen, dass es dem Verlag gelingt, genügend Vermarktungserlöse zu erzielen – und dabei natürlich Werbung und Redaktionelles strikt zu trennen.

Benedict Gründig, 

Director Business Development Germany von Criteo

Damit die Vermarktungserlöse den Redaktionen auch künftig weiterhelfen können, ihre – auch gesellschaftlich – wichtige Arbeit zu leisten, stehen die Publisher vor ähnlichen Herausforderungen wie die gesamte Digital-Branche. „Die Tage des Third-Party-Cookies sind gezählt. So wichtig, wie er einmal für die Publisher auch immer war. Jetzt gilt es nach Alternativen zu suchen”, erklärt Benedict Gründig, Director Business Development Germany von Criteo. „Es wird kein eins zu eins Replacement des Third-Party-Cookies geben”. 

Das sieht Reher genauso. Er schränkt allerdings etwas ein: „Im Grunde wurde der Cookie immer diskriminiert. Ihm wurde eine Macht zugeschrieben, die er nie hatte“. Statt in ihm einen kleinen Tracking- oder Spionage-Schnipsel zu sehen, plädiert der Experte dafür, ihn für das zu nehmen, was er ist: „Eine Krücke, ein Informationsanker. Solange wir jedoch nicht fähig sind, wie bisher Informationen zu verknüpfen, wird es diese Form des Ankers noch geben müssen – zumindest in der First-Party-Version.“  

Derzeit kommen den First-Party-Daten eine immer wichtigere Bedeutung zu. Für Medienhäuser wie Axel Springer ist das eine positive Sache. Sie bieten Nachrichten und Informationen, für die sich viele Millionen Menschen interessieren. Damit ist klar: Sie haben sehr viel direkten Kontakt mit einer Vielzahl von Nutzern, was ihnen wiederum einen stärkeren Hebel gegenüber den Advertisern gibt. Das sieht auch Benedict Gründig so: „Der Wegfall des Third-Party-Cookies kann die Kundenbeziehung auch wieder stärken. Der Verlag kann wieder viel mehr Informationen anbieten.” Weiter führt er aus: „Die Publisher halten damit ein Asset in der Hand, über das wahrlich nicht viele verfügen.” Und an dieser Stelle kommt Criteo ins Spiel: „Wir können dann diese First-Party-Daten vergolden.”

Christoph Reher, 

Director Data Strategy & Products bei Media Impact 

„Für uns bedeutet die Konzentration auf First-Party-Daten auch einen ganz neuen Fokus auf die Interaktion mit unseren Nutzern. Jede Consent-Zustimmung ist gleichzeitig auch eine Unterhaltung über das, was die Nutzer wirklich wollen. Wir, wie auch die Advertiser, stehen heute in einem ganz anderen Dialog mit den Konsumenten.“ Für Christopher Reher ist das eine Chance, aber auch eine Verantwortung, „die wir unseren Nutzern gegenüber haben.“ 

Die gesamte Ad-Tech-, Publisher- und Werbebranche kam Reher in der Vergangenheit des Öfteren wie ein Kleingartenverein vor. „Jeder hat so seinen Garten gepflegt. Aber wenn der Nachbar seine Nase durch die Hecke steckte, wurde doch eher kritisch reagiert.“ Das nahende Ende des Third-Party-Cookies und die damit verbundene Frage, wie und mit welchen technischen Lösungen es künftig weitergehen soll, sorgte dafür, „dass jetzt alle über ihre Gartenzäune hinweg anfangen, miteinander zu reden, sich zu helfen und zu unterstützen.“   

Für die kommenden Monate sieht Reher fünf Trends. „Natürlich bleibt der Fokus auf First-Party-Daten bestehen. Genauso wie auch der Consent-getriebene Dialog mit den Nutzern noch weiter zunehmen wird.“ Zudem ist Reher davon überzeugt, dass auch kontextuelle Werbung ein Comeback feiern und einen festen Platz im Werbe-Mix einnehmen wird. „Auch das Thema Data Cleanrooms wird sich noch weiterentwickeln und an Fahrt aufnehmen. Ich glaube, dass dies noch einmal für eine Stärkung des dezentralen Datenabgleiches sorgen wird. Das führt außerdem dazu, dass etwaige Missbräuche noch besser verhindert werden können.“

Als letzten Trend nennt der Experte „Data Privacy als Geschäftsermöglicher“. Dabei geht es darum, dass immer klarer werden wird, dass es sich bei Data Privacy nicht um ein negatives Thema handelt, sondern, dass es um Gestaltung und Teilhabe geht. „Ich glaube fest an den mündigen Bürger und hoffe, dass wir ihn auch immer stärker im Bereich Data und Advertising sehen werden.“  

Benedict Gründig ist davon überzeugt, dass vor allem “Single-Sign-on-Lösungen, die einen E-Mail-basierten Identifier generieren, eine besonders wichtige Bedeutung zukommt.”  

Axel Springer erkannte schon früh, dass die europäische Digitalwirtschaft eigene Login-Standards entwickeln muss. Perspektivisch wollen die Berliner deshalb erst einmal ihre Zusammenarbeit mit NetID weiter ausbauen. „Dazu haben wir uns ganz deutlich positioniert. Mit ihrer Organisation als Stiftung und damit auch als neutrale Instanz halten wir sie für einen idealen Partner.“ Gleichzeitig entwickeln Reher und sein Team auch eigene ID-Lösungen, bei denen man schon recht weit sei.   

Nach Einschätzung von Benedict Gründig genau der richtige strategische Schritt. „Die großen Budgets wandern nicht mehr aus dem Digitalen weg. Die große Gefahr ist eher, dass die Walled Gardens sich noch mehr vom Kuchenstück abknabbern. Deshalb ist für die gesamte Branche wichtig, gemeinsame Standards im Open Web zu schaffen. Wenn sich ein Mail-gestützter Identifier herauskristallisiert, dann müssen alle gemeinsam da drauf gehen.” 

Wie das Kleingärtnerbild sehr anschaulich erklärte, scheint sich die gesamte Branche genau an dieser Stelle auf einem guten Weg zu befinden. Schließlich sollen es sich Bild, Welt und alle anderen Qualitätsmedien auch in den nächsten Jahren noch leisten können, eine journalistisch vertrauensvolle Nachrichtenquelle zu sein. 


Mehr Stimmen zu dem Thema 

Criteo hat internationale Media-Verantwortliche zum Thema Identity befragt, wobei es unter anderem auch um den Wert von First-Party-Daten ging. Die Ergebnisse der Umfrage könnt ihr euch im Detail hier anschauen.